

David Mamets „Oleanna“ wirft auf den ersten Blick Fragen nach individueller Schuld, Kommunikation und Macht auf
– doch eine zeitgemäße Lesart verschiebt diese Fragen auf eine strukturelle Ebene: Wer hat Zugang zu Bildung?
Wer kontrolliert den Diskurs? Wer wird gehört – und wer systematisch überhört?
Diese Interpretation setzt an der Metaebene der Bildung an. Die Universität wird nicht nur als Ort des kritischen Denkens verstanden, sondern als Raum, in dem gesellschaftliche Veränderungen entstehen und geformt werden
– ein Raum, in dem sich Machtverhältnisse entweder reproduzieren oder hinterfragen lassen.
Während der Professor John seine Stellung nutzt, um Macht auszuüben – verbal, institutionell, körperlich – wird Carol zur Projektionsfläche all jener Menschen, denen durch Rassismus, Sexismus und Klassismus der gleichberechtigte Zugang zu diesem Raum erschwert wird.
John steht in dieser Lesart nicht als individueller Täter auf der Bühne, sondern als Repräsentant eines privilegierten, weiß-männlichen Bildungsbürgertums, das durch seine Position Teilhabe reguliert. Seine Grenzüberschreitungen – sprachlich wie körperlich – sind keine Einzelfälle, sondern Symptome eines Systems, das Machtmissbrauch oft subtil legitimiert. Oleanna wird in dieser Konzeption nicht zur Geschichte einer „Machtübernahme“ durch eine vermeintlich radikalisierte Studentin, wie Mamet es nahelegt, sondern zu einem Aufruf nach Gleichstellung.
Zentral ist dabei die Sichtbarkeit weiblicher und marginalisierter Perspektiven. Carols Position ist nicht gefährlich
– sie ist notwendig. Ihr Handeln zielt nicht auf Zerstörung, sondern auf Gerechtigkeit.
Die Universität – so der Gegenentwurf zu Mamets Intention – wird zum Sehnsuchtsort für emanzipatorisches Denken:
ein Ort, der jungen Menschen nicht schadet, sondern ihnen ermöglicht, sich zu vernetzen, Strukturen kritisch zu hinterfragen und neue Räume zu eröffnen.
Oleanna - David Mamet
Studienarbeit ; Bühnenbild_Szenischer Raum


